Heute ist Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen.
Gewalt an Frauen findet quer durch alle gesellschaftlichen Schichten und Gruppen statt. Es gibt keine Unterschiede im Hinblick auf Religion oder Herkunft.
Meist sind Männer die Täter – in der Regel nicht fremde Männer, sondern Männer aus dem sozialen Umfeld, dem Nahbereich. Oft genug der Ehemann, der Vater, ein Bruder, Onkel oder ein anderer Verwandter, ein Nachbar, der Arbeitgeber, eine Person aus der religiösen Gemeinschaft. Sehr häufig Männer, denen eine solche Tat gar nicht zugetraut wird. Ein scheinbar ehrenwerter Mann, geachtet und respektiert.
Gewalt an Frauen kann verbal, tätlich oder sexualisiert geschehen. Jede Handlung, die Frauen aufgrund ihres Geschlechts Gewalt antut, ist Gewalt an Frauen.
Gewalt an Frauen hat viele Ursachen, etwa, dass Männer Frauen als ihren Besitz betrachten. Oft geht es um Macht und Unterdrückung. Vielfach spielt Alkohol eine Rolle.
Auch unterlassene Hilfeleistung, wenn Frauen um Hilfe bei Gewalt bitten, ist Gewalt an Frauen, Gewalt durch Wegsehen oder Verharmlosung.
Nicht wegschauen
Männer, die in ihrem Umfeld Gewalt an Frauen wahrnehmen, dürfen nicht wegschauen. Sie müssen mit den betroffenen Frauen solidarisch sein, nicht mit den Tätern.
Frauen, die von Gewalt berichten, muss geglaubt werden. Sie müssen ernst genommen werden. Ihre Erfahrungen und Ängste dürfen nicht relativiert oder verharmlost werden, die Täter dürfen nicht in Schutz genommen werden.
Gewalt an Frauen ist kein Kavaliersdelikt. Es ist kein Zeichen von Männlichkeit. Täter weisen oft eine fragile Männlichkeit auf. Ihnen wurden häufig Geschlechterrollen vermittelt, die Gewalt an Frauen verharmlosen oder sogar fördern. Sie nehmen Frauen nicht als gleichwertige Partner wahr, sondern als Untergebene.
Sexualisierte Gewalt
Bei sexualisierter Gewalt geht es nie um Sex, es geht um Macht, um Erniedrigung, um Unterdrückung. Sexualität wird dabei als Waffe eingesetzt, zur Herabwürdigung der Frau.
Sexualisierte Gewalt hat viele Gesichter, verbal und tätlich. Sexualisierte Gewalt beginnt nicht erst bei sexuellen Handlungen, sondern überall da, wo Frauen aufgrund ihrer Weiblichkeit erniedrigt, herabgewürdigt werden. Das beginnt bei gewissen Witzen über Frauen, Catcalling, angeblich zufälligen Berührungen, anzüglichen Bemerkungen, dem gut sichtbaren Kalender mit Nacktbildern von Frauen. Es beinhaltet die Weigerung, ein „Nein“ sofort zu akzeptieren.
Mythen zur Kleidung
Es ist ein Mythos, dass bedeckende bzw. verhüllende Kleidung vor sexualisierter Gewalt schützt.
Ein Schleier mag vor ungewollten Blicken in der Öffentlichkeit schützen, aber nicht vor sexualisierter Gewalt. In Gesellschaften, in denen viele Frauen verschleiert sind, werden sie beinahe ebenso häufig Opfer sexualisierter Gewalt wie unverschleierte Frauen. Denn den Männern geht es um Macht, um Erniedrigung. Sie suchen nicht nach unverschleierten Frauen, sondern nach Frauen, die schwach, hilflos erscheinen. Nach möglicherweise leichten Opfern. Nach Frauen, die den Blickkontakt meiden, die still sind.
Für einige verschleierte Frauen, die in der Öffentlichkeit auf Bescheidenheit Wert legen, liegt darin eine Gefahr: Wir senken den Blick, wir lassen unsere Stimme nicht hören, wir sind unauffällig. Und damit erwecken wir den Eindruck, wir könnten ein leichtes Opfer sein.
Täter und Opfer
Geht es um sexualisierte Gewalt, so gibt es meist Ratschläge für Frauen, sich zu schützen. Wir Frauen bekommen die Verantwortung, dass uns nichts passiert. Man lehrt uns, vorsichtig zu sein. Wie wir uns verhalten, wie wir uns kleiden sollen.
Und erfährt eine Frau sexualisierte Gewalt, dann bekommt sie allzu schnell die Verantwortung. War sie falsch angezogen, hat sie sich falsch verhalten?
Bei Männern geht man zu oft davon aus, dass sie nur ihren männlichen Trieben folgen oder aufgrund ihrer Hormone so handeln. Männer seien eben so.
Die Rollen von Tätern und Opfern werden vertauscht. Die Frau soll sich schützen – und wenn ihr das nicht gelingt, dann hat sie versagt, nicht der Mann. Ihr Rock war zu kurz, der Lippenstift zu knallig, das Verhalten zu locker …
Eine Frau, die sexualisierte Gewalt erfährt, wird dafür häufig beschämt; „Victim Blaming“ nennt sich das. Die Schuld des Täters wird dem Opfer, der Frau, zugeschrieben. Irgendein Grund findet sich schon.
Ich habe einen Traum
Ich habe einen Traum:
- Dass Männer keinem einzigen Mann mehr durchgehen lassen, wenn er Gewalt an Frauen verübt.
- Dass Männer Gewalt an Frauen nicht verharmlosen.
- Dass Männer Verantwortung übernehmen.
- Dass niemals einer Frau die Schuld eines Mannes an der von ihm begangenen Tat zugeschrieben wird.
- Dass Frauen nicht die Verantwortung bekommen, sich vor Gewalt zu schützen, sondern Männer von Kindesbeinen an erzogen werden, Frauen anständig zu behandeln.
- Dass Männer lernen, dass sie allein für ihre Taten verantwortlich sind, nicht ein angeblicher „Trieb“, nicht das Testosteron und auch nicht eine Frau.
Gewalt an Frauen zu verhindern, ist nicht unsere Aufgabe als Frauen. Es ist die Aufgabe der Männer. Nicht durch „Erziehung“ der Frauen zu „vorsichtigem Verhalten“ oder indem Frauen „beschützt“ werden, sondern indem Männer lernen: Gewalt an Frauen ist niemals akzeptabel.
Niemals ist ein kurzer Rock, knallrot angemalte Lippen oder was sonst verantwortlich. Männer sind verantwortlich. Nicht für die Frauen, sondern für ihr Verhalten.
Echte Männer verüben keine Gewalt an Frauen. Sie wissen, dass Frauen gleichwertig sind. Sie schreiben niemals einer Frau die Schuld zu, wenn sie Gewalt aufgrund ihres Geschlechts erfährt. Sie schweigen nicht, wenn ein Mann sich frauenfeindlich verhält.
Ich bin eine verschleierte Frau
und ich möchte, dass Frauen sich kleiden können, wie sie wollen. Niemals gibt die Kleidung oder das Verhalten einer Frau einem Mann das Recht, sie herabzuwürdigen, sie zu belästigen oder ihr Gewalt anzutun.
Ich bin eine verschleierte Frau, und ich will, dass Frauen auch kurze Röcke tragen können, ohne deswegen als „Schlampen“ betrachtet oder belästigt zu werden.
Nehmt niemals meinen Schleier als Beispiel für Kleidung, die Frauen tragen sollten, um sich vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Nehmt niemals meinen Schleier als Rechtfertigung, unverschleierte Frauen belästigen zu dürfen.