Mehr als einmal wurde mir bereits vorgeworfen, durch das Tragen der sog. Vollverschleierung würde ich die Argumente der AfD befeuern, Stichwort „Umvolkung“ usw., und damit für mehr Zulauf bei der AfD sorgen.

Nun, ich bezweifle das. Und ich habe gute Gründe, als Nikabi sichtbar zu sein, mich nicht zu verstecken.

Die Erfahrung zeigt zum einen, dass die AfD dort die meisten Stimmen bekommt, wo der Anteil an Menschen mit vermeintlichem oder tatsächlichem Migrationshintergrund eher gering ist, wo auch entsprechend wenige Frauen Hidschab, Dschilbab, Abaya, Khimar oder eben Nikab tragen. Je weniger die Menschen also Kontakt zu Menschen haben, die einen Migrationshintergrund haben, desto größer der Zulauf zur AfD. Wer hingegen Kontakte zu Menschen mit Migrationshintergrund hat oder auch Freundschaften schließt, ist weniger bereit, die AfD zu wählen.

Zum anderen wäre es falsch, ausgerechnet eine von Rechten bedrohte Minderheit aufzufordern, sich doch möglichst unsichtbar zu machen. Damit hätten die Rechten nämlich schon gewonnen. Das gilt eben nicht nur für Hidschab- oder Nikabträgerinnen, sondern auch für Personen aus dem LGBTIQAN+-Spektrum, für Behinderte, für Armutsbetroffene, für Frauen usw. Rechte wollen, dass wir unsichtbar sind, aus dem Stadtbild verschwinden. Es wäre eine Täter-Opfer-Umkehr, wenn den Opfern rechten Hasses vorgeworfen wird, durch ihre Sichtbarkeit die Rechten zu provozieren. Wir sind die Opfer von Hass und Gewalt. Sie hingegen sind die Täter. Wir sind nicht verantwortlich für deren Taten, auch nicht dafür, sie bloß nicht zu provozieren. Wir sind nicht dafür verantwortlich, die Rechten möglichst klein zu halten.

Darum lehne ich auch Sätze ab wie „Sie wurde wegen ihres Kopftuches angegriffen“. Nein, nicht wegen des Kopftuches – wegen des Rassismus des Täters. Wegen seiner Gesinnung.

Sichtbarkeit ist wichtig. Gerade auch für andere Opfer rechten Hasses und rechter Gewalt. Jede Frau mit muslimischem Hintergrund weiß, dass sie bei mir sicher ist, von mir weder Hass noch Gewalt befürchten muss. 

Für mich als weiße, blonde Frau wäre es ein Leichtes, mich aus dem Schussfeld der AfD zu nehmen. Schleier abnehmen, westliche Kleidung anziehen, fertig. Ich habe dank meiner Hautfarbe ein Privileg, das viele muslimische Frauen nicht haben. Und deswegen ist es mir wichtig, an ihrer Seite zu stehen, sichtbar. Sichtbar hauptsächlich für sie, damit sie wissen, dass sie bei mir sicher sind, sichtbar aber auch für die Rassisten, damit sie wissen: Ich gebe nicht klein bei. Ich verstecke mich nicht. Ich verkrieche mich nicht. Hier stehe ich mit meinem Nikab, ich kann nicht anders. Euer Hass ist meine Triebfeder.

Man könnte es „Niqab Pride“ nennen, den selbstachtenden Umgang mit meiner Identität als Nikabi. Ich zeige selbstbewusst und stolz, was ich durch Gottes Barmherzigkeit bin. Ich bin, was ich bin, ich werde mich weder verstecken noch verstellen, ich werde für meine Rechte eintreten. Ich werde meinen Glauben nicht verleugnen.

Zuletzt: Ich weiß, dass es Gottes Wille ist, dass ich den Nikab trage. Er weiß, was für mich am besten ist. Also handle ich entsprechend. 

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