Dass eine Frau einen Hidschab, einen Dschilbab, einen Nikab oder einen Burkini trägt, sagt nichts darüber aus, ob sie integriert ist oder nicht. 

So wenig wie ein Minirock, High Heels oder ein knapper Bikini aussagen, dass diese Frauen integriert sind. 

Denn es kommt darauf an, was im Kopf ist – nicht, was den Kopf und den Körper bedeckt.

Integration findet im Kopf statt, nicht auf dem Kopf. Integration ist eine Entscheidung. Wer sich gegen Integration entscheidet – und das mag auf eine Minderheit zutreffen –, tut dies, egal ob mit oder ohne Hidschab, Nikab oder Burkini. Den Schleier abzulegen, würde nicht dazu beitragen, dass eine Person, die sich nicht integrieren will, sich plötzlich integriert. Und wenn diese Person gezwungen wird, den Schleier abzulegen, dann wird dies erst recht nicht ihre Entscheidung stärken, sich integrieren zu wollen. 

Die meisten Frauen, die Hidschab, Nikab oder Burkini tragen, sind integriert. Sie halten sich an Recht und Gesetz. Die Nikabis etwa sind oft deutsche Staatsangehörige, viele von ihnen zum Islam konvertierte Deutsche. Die meisten von ihnen haben bereits viele Jahre in Deutschland gelebt, ehe sie sich für den Nikab entschieden haben. Es ist falsch anzunehmen, dass Nikab vorwiegend von Frauen getragen wird, die erst ganz frisch nach Deutschland gekommen sind. 

Wer einer Frau allein aufgrund der Tatsache, dass sie diese Kleidung trägt, mangelnde Integration vorwirft, zeigt damit deutlich, dass er eigentlich Assimilation meint, nicht Integration. Und Assimilation bedeutet immer Aufgabe der eigenen Identität. Unsichtbarmachen dessen, was man im Herzen ist. Eine Maske tragen, anderen vormachen, jemand anderes zu sein. Assimilation löscht Identitäten aus. Assimilation tötet das Ich. 

Davon abgesehen ist Integration eine Aufgabe, die zuerst der Gesellschaft zufällt. Die Gesellschaft muss sich bereit zeigen, Menschen zu integrieren. Das geht nur, wenn die Gesellschaft Integration statt Assimilation will und Vorurteile sowie Rassismus ablehnt und bekämpft. Wer stets auf Ablehnung, auf Vorurteile, auf Rassismus stößt, wird sich nur schwerlich integrieren wollen (oder sogar Segregation wählen). Integration benötigt eine offene, einladende Haltung der Gesellschaft. Fehlt diese Haltung, kann aus gelungener Integration auch Segregation werden. Wer abgelehnt wird, hat wenig Interesse, sich zu integrieren. Wer weiß, dass er sich assimilieren soll, seine Identität aufgeben soll, wird wenig Neigung spüren, sich zu integrieren. So schafft die Mehrheitsgesellschaft Parallelgesellschaften. Parallelgesellschaften sind immer ein Hinweis darauf, dass die Mehrheitsgesellschaft versagt, neue Mitglieder in die Gemeinschaft zu integrieren. 

Deutschlands Mehrheitsgesellschaft tut sich schwer mit der Integration. Sie ist stark geprägt von rassistischen Vorurteilen. Sie sagt „Integration“, meint aber viel zu oft Assimilation. Sie tut sich schwer mit Freiheit und Vielfalt, mit einer bunten Gesellschaft. Sie tut sich schwer damit, Muslime als Teil dieser Gesellschaft zu akzeptieren. 

Wir müssen lernen, Vielfalt zu akzeptieren, einschließlich jener muslimischen Frauen, die sich verschleiern. Wir müssen lernen, dass Integration bei uns beginnt, mit dem Abbau von Vorurteilen und dem Kampf für Freiheit und Vielfalt und gegen Rassismus. 

Zuletzt dürfen wir keine überzogenen Erwartungen an die Integration stellen, nach dem Motto: „Integriert ist, wer Mitglied in mindestens drei deutschen Vereinen ist und nur noch Deutsch spricht“. Integration bedeutet nicht, alle Verbindungen zur Herkunftskultur, zur eigenen Religion zu kappen. Integrierte Muslime sind eben immer noch Muslime. Integrierte Musliminnen können immer noch Hidschab, Dschilbab, Nikab oder Burkini tragen.

Die Gretchenfrage ist, ob wir einen muslimischen Mann als vollständig integriert betrachten, der seine Frau zwingt, den Hidschab oder Nikab abzulegen – oder ob Integration für uns beinhaltet, dass Männer das Recht ihrer Frauen auf Selbstbestimmung achten und sie nicht zu etwas zwingen, das sie nicht wollen.

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